Meine Lieben!
Mein erster Auftritt hier ist ein wutentbrannter, ein frustrierter, einer voller Abscheu.
Wo sind die Stimmen geblieben, die sich erheben? Wo die denkenden Menschen, die sich zu wehren versuchen?
Wenige sind es geworden.
In der Vorbereitung auf den Bildungsstreik 2009 hatte die Germanistik der Uni Göttingen zur Vollversammlung geladen. Es kamen wenige. Aber sie waren motiviert. Sie waren bereit ihren Gedanken eine Stimme zu geben, eine leise, hartnäckige, konstruktive. Zwei überaus bereichernde Stunden, ein Stück verloren geglaubter studentischer Kultur.
Keine "Rauf auf die Barrikaden und alles niederreißen"-Stimmung, sondern die Formulierung gut überlegter Forderungen. Nichts von "außer heißer Luft nichts geblieben", sondern die Gründung von Arbeitsgruppen.
Die Idee: klare Statements, klare Stellungnahme, kleine Schritte, die gemeinsam einem großen Ziel entgegenstreben: der Verbesserung der Studienbedingungen.
In Hochstimmung verließ ich den Hörsaal, motiviert all die Meckerer und Stöhnenden zu animieren, mitzumachen.
Doch alles, was ich bekam, war ein heftiger Schlag ins Gesicht.
Lächelnde Seminarteilnehmer, die keinen Kommentar machten außer: "Haben wir dann also frei in der Woche des Bildungsstreiks?"
Die sich zu beschäftigt vorkommen, um zwei Stunden ihrer Zeit zu opfern, sich aber regelmäßig über die Bedingungen an der Uni das Maul zerreißen.
Ich stehe vor diesen Menschen und frage mich mal wieder: Gegen wen kämpfe ich eigentlich?
Und ich bin wütend, dass der Eindruck entsteht, die Beschwerden kämen nur von einigen wenigen, links-radikalen, weltfremden Vollidioten. Ich kann nicht nachvollziehen, dass es so wenige gibt, die an der Möglichkeit festhalten, Schritt für Schritt Dinge zu verändern.
Warum muss denn alles benotet werden? Warum können wir nicht selber entscheiden, was wir benoten lassen? Warum werde ich gezwungen, Seminare zu belegen, die mir nichts nützen, während andere Seminare zu voll sind, als das alle, die sich dafür interessieren, sie belegen könnten? Warum gibt es Anwesenheitslisten, wenn doch jeder selbst Verantwortung für seine Ergebnisse übernehmen könnte?
Die Liste würde wohl den Rahmen des Blogs sprengen...
Es sind solche Tage wie heute, die mich an der Denkfähigkeit der "Bildungselite" zweifeln lassen. Denn es verlangt keiner, dass sich jeder einzelne über seine Fähigkeiten und Kräfte hinaus aufopfert... Aber wenn jeder ein bisschen beisteuert, dann erreicht die Gemeinschaft viel.
Oder?
Ich wäre dankbar für Meinungen, für Gedanken, für einen Einblick in "die Anderen", die ich nicht verstehen kann...